Kooperation, Kommunikation, Kritisches Denken und Kreativität.
Die großen „4K des 21. Jahrhunderts“ – manchmal kontrovers diskutiert, da der Ursprung dieses Modells auf eine US-amerikanischen Initiative von Fachleuten aus Politik, Wirtschaft und Bildung zurückgehen – sind in unserer sich schnell verändernden Welt für mich dennoch unabdingbar im Unterricht der Sekundarstufe. Denn diese Kompetenzen sind unerlässlich, um Schüler*innen auf die Herausforderungen der modernen Welt vorzubereiten.
Genau diese Kompetenzen versuche ich ebenfalls im Literaturunterricht zu fördern – durch gezielten Einsatz von Methoden des kooperativen Lernens.
Definition
Bei Lernarrangements zum kooperativen Lernen wird der Unterricht so strukturiert, dass die Schüler*innen durch gemeinsames Besprechen und Erarbeiten zu einem Lernprodukt oder Ergebnis kommen. Im Gegensatz zur klassischen Gruppenarbeit zählt aber nicht nur das Miteinanderarbeiten, sondern auch die individuelle Erarbeitungsphase, das Füreinanderarbeiten und das Zuarbeiten.
Diese didaktische Strategie zielt also darauf ab, den einzelnen Schüler*innen sowohl individuelle als auch gemeinsame Lernzeit zu gewähren, um selbstregulierte Lernprozesse zu fördern.
Die Lehrkraft strukturiert demnach die Unterrichtsprozesse derart, dass die Lerner mit einem individuellen Lernergebnis kollaborieren können, um so in einer weiteren Phase als Leistungsteam weiterzuarbeiten.
Warum kooperatives Lernen?
Dieses Lernarrangement erlaubt es den Schüler*innen, sich strukturiert mit einem Thema zu befassen, ohne dem Druck eines lehrerzentrierten Unterrichtes ausgeliefert zu sein.
Sie erarbeiten dabei nicht nur den Inhalt des Unterrichts, sondern lernen auch wichtige soziale und emotionale Kompetenzen. Im Austausch werten sie eigene Lernprodukte aus, während sie gleichermaßen das Lernprodukt der anderen einbeziehen und diskutieren müssen, um weiterführend zu arbeiten.
Alle Schüler*innen werden einbezogen und aktiviert, was eine Verschmelzung von individuellen Denkprozessen und gemeinsamem Lernen ermöglicht. Die Schüler*innen können sich nicht mehr hinter den sich freiwillig meldenden Mitschüler*innen verstecken, sodass maximale Lernzeit geschaffen wird.
Konkrete Beispiele kooperativen Lernens
3.a. Die Placemat Methode im Literaturunterricht
Das Placemat ist eine kooperative Lernmethode, bei der die Lerner in 4er Gruppen über ein bestimmtes Thema diskutieren sollen, um zu einem Ergebnis zu kommen. Um die individuelle Auseinandersetzung zu garantieren, sollen die Schüler*innen zunächst 3-4 Minuten all ihre Ideen, Eingebungen und Inputs auf ihrem Teil des Blattes schriftlich festhalten.
Darauf aufbauend wird eine Lesezeit gewährt. Hier wird das Blatt gedreht, sodass jeder den Input seiner Mitlernenden in Ruhe einmal lesen kann, bevor die Diskussion eingeleitet wird. Dieses Gespräch soll dann zu einem Lernergebnis in der Gruppe führen, das präsentiert wird.
Konkreter Einsatz im Literaturunterricht:
In der Oberstufe nutze ich dieses Verfahren zur finalen Wiederholung der Inhalte einer Ganzschrift in Form von Zitatinterpretationen – seien es nun werkimmanente Zitate oder auch Aussagen aus der Sekundärliteratur.
Die Schüler*innen erhalten demnach ein zentrales Zitat zu einem Werk mit einer weiterführenden Frage (die z.B. Anlass für einen Aufsatz geben könnte). Je nach Klassenstärke oder Vorabkenntnissen zur Interpretation üben wir dies einmal zusammen an der Tafel in einer anderen Stunde vorab.
Die Lerner notieren in den ersten 3-5 Minuten alles, was ihnen zu der Symbolik, der Frage, dem Vokabular oder wichtigen, passenden Szenen einfällt. Mithilfe aller Notizen soll eine finale Interpretation entworfen werden, die ebenfalls allen anderen Gruppen als Lerngrundlage dienen kann.
In der Unterstufe nutze ich das Placemat hingegen oftmals für Charakterisierungen. In der Mitte steht dann die zu charakterisierende Figur – alle Infos werden unsortiert notiert. Die kollaborative Phase im Anschluss dient der gemeinsamen Sichtung und Sortierung aller Informationen. Am Ende steht die Erstellung einer schriftlichen Charakterisierung. Je nachdem lasse ich die Infos eventuell auch auf einem Flingaboard sammeln (hier zur näheren Erklärung von Flinga.fi). Die Infos lassen sich hier leichter „rumschieben“ während der Diskussion, wie sie am besten sortiert gehören.
3.b. Think-Pair-Share Verfahren im Literaturunterricht
Denken-Austauschen-Vorstellen: Dies ist im Prinzip das Grundgerüst des kooperativen Lernens. Dies kann auf vielfältigste Art und Weise geschehen (das Placemat ist nur eine Form davon). Es kann für vielerlei Unterrichtsarrangements fruchtbar gemacht werden.
Will ich in der Unterstufe z.B. Charakterisierungen kleinschrittiger aufbauen, weil die Lerngruppe eventuell nicht stark genug ist in Punkto Wortschatz zur Charakterumschreibung, nutze ich dieses Verfahren im Zusammenhang mit einem Figurenchart (genauere Beschreibung zum Figurenchart 😉), d.h. einer Tabelle mit Gegensatzpaaren aus charakterzentrierten Adjektiven.
In der ersten Phase sollen die Lerner individuell Gegensatzpaare finden in der Tabelle. In einem zweiten Schritt kontrollieren sie ihre Ergebnisse mit einem Lernpartner und diskutieren gemeinsam, was auf die betroffene Figur passt, bevor wir dann im Plenum die Ergebnisse besprechen – und auch klären, dass es bei Charakterisierungen ebenfalls Platz für Interpretation und individuelle Urteile gibt.
Ziel ist es demnach, ein Lernarrangement zu schaffen, bei dem der Lerner individuell an einer Problematik arbeitet. Diese Überlegungen nimmt er mit in eine Partner- oder Gruppenarbeit, um eine Diskussionsgrundlage zu haben und partizipieren zu müssen. Alle diese Lernprodukte werden anschließend in ein Fazit oder finales Lernprodukt eingebunden.
Exkurs: Richtig gern nutze ich dieses Verfahren ebenfalls zur Wiederholung der Groß- und Kleinschreibung (z.B. hier) – die Schüler*innen markieren alleine, was sie in einem Text großschreiben würden. Anschließend suchen sie sich einen Lernpartner zur Kontrolle. Mit diesem diskutieren sie dann ebenfalls die Regeln und einigen sich auf die 5 wichtigsten. Erst am Ende wird gemeinsam kontrolliert und besprochen, alle Regeln werden gesammelt und notiert – alle wurden auf diese Art aktiviert, alle konnten in ihrem Leistungsspektrum und von Mitschüler*innen lernen als auch eigenverantwortlich und ergebnisorientiert arbeiten. 😉
3.c. Das Gruppenpuzzle
Das Gruppenpuzzle, auch als Jigsaw-Methode bekannt, ist eine kooperative Lernstrategie, bei der Schüler*innen in kleinen Gruppen arbeiten, um verschiedene Aspekte eines Themas zu erforschen und dann ihr Wissen miteinander zu teilen. Sie ist die anspruchsvollste Methode in diesem Kontext, sodass die Schüler*innen für optimale Ergebnisse bereits vorab an kollaboratives Arbeiten herangeführt sein sollten.
Bleiben wir bei der Charakterisierung als Beispiel. Anstatt dass die Lerner also alle an einer Figur arbeiten, würde sich jeder mit einer anderen Figur beschäftigen. Im Anschluss müsste er/sie die Gruppenmitglieder über die erarbeitete Figur informieren, damit alle nachher den gleichen Informationsstand haben, um so mithilfe dieser neuen Infos sich z.B. auf eine Grafik oder Darstellungsform einigen oder eine übergreifende Frage beantworten zu können.
Konkret nutze ich dies z.B. bei „Echte Cowboys“, um das „Dreieck der Einsamkeit“ zu erarbeiten. In Dreiergruppen werden Infos zu den Figuren gesammelt, um nachher dieses Dreieck grafisch darzustellen und zu dem Fazit zu kommen, warum dieses Trio gerade so benannt werden kann. Oder bei „Zebraland“ z.B. für das unglückliche Kleeblatt.
In der Oberstufe nutze ich dieses Verfahren u.a. beim „Trafikant“. Hier sollen z.B. unterschiedliche Kommunikationsformen von Franz untersucht werden, oder 3 Gespräche mit Freud. Ich gebe den Lernern eine genaue Analysefrage mit an die Hand für die behandelten Seiten, z.B. „Analysieren Sie die Kommunikation zwischen Franz und Siegmund Freud. Achten Sie dabei darauf, wer die Fragen stellt und wie auf Fragen reagiert wird. Wer ist in dieser Situation der Gesprächsführer?“ Im Anschluss sollen dann die Analysen zusammengeführt werden, um Rückschlüsse auf die Entwicklung der Figur Franz oder die Entwicklung der Freundschaft zu ziehen.
Herausforderungen des kooperativen Lernens
Haben die Schüler*innen das kooperative Lernen intus, sind dies Methoden, die definitiv überaus gewinnbringend für den Lernerfolg sind – und eine innere Differenzierung ohne wesentlichen Mehraufwand sicherstellen, da es gegenseitige Unterstützung gibt.
Dennoch birgt gerade die Einübungsphase einige Herausforderungen. Zu diesen didaktischen Herausforderungen gehören die Notwendigkeit einer sorgfältigen Planung und Strukturierung sowie die Sicherstellung, dass alle Schüler*innen aktiv teilnehmen und von der Zusammenarbeit profitieren. Dafür ist es wichtig, eine positive und unterstützende Lernumgebung zu schaffen bei gleichzeitiger Einführung klarer Regeln für die Individualphase.
Beim Placemat z.B. braucht es manchmal 2-3 Anläufe, bis die anfängliche Ruhe und Konzentration wirklich gegeben ist. In der Praxis linsen die Lerner dann doch gerne zum Nachbarn und kommentieren bereits Beiträge bzw. möchten sich austauschen, bevor die Kooperationsphase beginnt. Hier unterbinde ich dies am Anfang eher streng, um den Lernerfolg im Nachgang zu garantieren bzw. nicht in das Muster zu fallen, dass einige einfach babbeln, um die eigene Arbeit zu umgehen. Daher kann es sein, dass bei den ersten Durchführungen keine 3 Minuten für die Individualarbeit sondern eher 10-15 Minuten anfallen, bevor Ruhe eingekehrt ist, jeder verstanden hat, dass Ruhe auch Ruhe, Einzelarbeit auch Einzelarbeit bedeutet.
Fazit
Das kooperative Lernen kann demnach auf unterschiedlichste Weise für den Literaturunterricht fruchtbar gemacht werden. Diese Lehrmethoden fördern nicht nur den Wissenserwerb, sondern auch wichtige soziale Kompetenzen. Sie steigern zudem die Motivation und das Engagement, da Schüler*innen oft mehr Freude am Lernen haben, wenn sie aktiv teilnehmen und mit ihren Mitschüler*innen interagieren können – bzw. können auch zurückhaltendere Lerner stärker partizipieren, da sie nicht einer gefühlten Lehrerwertung ausgesetzt sind.