Vorlesen fördert nachweislich die Lesemotivation und die Lesekompetenz weit über die Grundschule hinaus – Ich denke, hier erzähle ich dir nichts Neues. Persönlich lese ich sogar in der Oberstufe noch gerne vor. Im Literaturunterricht gibt es jedoch viel mehr Möglichkeiten, Übungen zum Hörverstehen sinnvoll einzubauen. Nicht zuletzt kann man mithilfe von Höreinheiten den Leseprozess für die Schüler*innen entlasten, gleichermaßen die Stunden für die Lehrkraft erleichtern und in Gruppenarbeiten differenzieren.
Warum hören statt lesen?
All das, was ich dir an Einsatzmöglichkeiten heute vorstelle, kannst du ebenfalls als Leseauftrag geben. Warum also den ‚Mehraufwand‘ aufbringen, ein geeignetes Hörverstehen zu finden?

Vor allem in den immer heterogener werdenden Lerngruppen ist das Hörverstehen die Kompetenz, die vielen Schüler*innen am leichtesten fällt. Sie sind wesentlich näher an diesem Medium als am Buch, sodass die Hürde zu dieser Übung wesentlich geringer ist. Zudem ist ihr Blick auf diese Übung eine andere: Viele Schüler*innen empfinden Hörverstehen als etwas Spielerisches und merken gar nicht, wie viel Konzentration sie dafür eigentlich aufwenden.
Darüber hinaus erlaubt es mir als Lehrkraft auch einmal eine Pause einzulegen. Durch die Motivation der Lerner, den Hörtext möglichst gut zu verstehen, räume ich mir selbst 10-15 Minuten Pause ein – vor allem bei einem vollgepackten Tag, genieße ich diese 15 Minuten sehr, muss ich gestehen.
Dass ich in einem zweiten Schritt damit den Einstieg in einen Leseprozess vereinfachen kann, die Lesekompetenz gleichermaßen schule bei Hörspielen z.B. und die Lerner sich wirklich konzentriert auf einen sprachlich und stilistisch richtigen Text einlassen, macht das Ganze zu einer Win-Win Situation vor allem im Literaturunterricht.
Einsatzgebiete der Hörverstehen im Literaturunterricht
Vorentlastender Einstieg in eine Lektüre
Bei historischen Romanen oder auch Erzählungen innerhalb einer fremden Kultur tauchen neben dem Leseprozess an sich weitere Verständnishürden auf. Hier sind Hörverstehen für mich zum unverzichtbaren Helfer geworden.
Ich nutze hier Podcasts, wie z.B. den Geolino Podcast, um vorab Verstehensinseln innerhalb des Themas zu schaffen. Die Schüler*innen informieren sich also über eine gewisse Epoche, ein fremdes Land oder eine Kultur mithilfe eines gesteuerten Hörverstehens. Diese Informationen sammeln wir dann in einem Mind-Map, auf das wir im Laufe der Lektüre immer wieder zurückkommen, um es vielleicht zu ergänzen (oder sogar Fehler aufzudecken✨🔍)
Lese ich in der Unterstufe „Im Schatten des Vesuv“ oder „Anschlag auf Pompeji“, so hören sich meine Lerner im Vorlauf Geolino- Podcastfolgen zum Alten Rom an.
2. Zusatzinformationen als Hausaufgabe vorbereiten
Auch für vorbereitende Hausaufgaben finde ich Podcasts als Hörverstehen richtig spannend. Die Lerner müssen zuhören, sodass sie sich (vielleicht) nicht so schnell ablenken lassen, als wenn sie eine Textpassage vorbereiten sollen. Indem sie dann noch ein Arbeitsblatt ausfüllen, ist es ein Rundumschlag: Sie arbeiten konzentriert, kommen mit der Sprache in Kontakt (meine SuS sind keine Muttersprachler) und verarbeiten die Informationen weiter.
Diese Zusatzinformationen können z.B. Kenntnisse oder Fakten sein, die sie für eine weiterführende Diskussion brauchen. Lese ich z.B. „Ein perfekter Freund“ von Martin Suter mit meinen 11ern, lasse ich sie entweder einen Podcast oder eine kurze Nachrichtensendung zum BSE-Skandal vorbereiten.
Aber auch um zu einer gewissen Motivik vorzudringen, können Sachinfos erstmal wichtig sein. Bearbeite ich mit meiner 8ten Klasse Auszüge aus Otfried Preußlers „Krabat“, so hören sich meine SuS eine Geolino Folge zum Thema „Raben“ an. Dies diskutieren wir dann als Einstieg, um im Anschluss darüber zu sprechen, welche Rolle die Raben innerhalb der Geschichte spielen.
Die Lerner können so an bereits existierende Informationen anknüpfen – Infos, die meine Unterstufe oft als „einfachere Informationen“ ansieht, da es Sachfakten sind, während Motivik und Interpretation oft nur so 🤯🤯 wahrgenommen werden. Die Verbindung und das Übertragen der Metainformationen fällt damit leichter.
3. Differenzierung bei einer Recherchearbeit
Bei immer heterogener werdenden Lerngruppen spielt die Differenzierung eine große Rolle, wenn man alle Schüler*innen mit ins Boot holen möchte. Warum also nicht auch bei Recherchearbeiten alternative Formate mit einbauen?
In meinen Klassengefügen werden GK (Grundkurs) und LK (Leistungskurs) innerhalb eines Verbandes unterrichtet. Allen gerecht zu werden, ist da manchmal echt knifflig – vor allem bei Gruppenarbeiten steigen leistungsschwächere Schüler*innen manchmal aus, da die Arbeit von den Teamkollegen erledigt wird.
Hier versuche ich in der Unterstufe dem entgegenzuwirken, indem ich gucke, ob ich zum gleichen Thema vielleicht auch einen Hörtext finde. So kann ich SuS mit Leseschwierigkeiten besser abholen, wirke zudem auch diesem Kopierwahn entgegen – sind wir ehrlich: Wenn die Lerner einen Text nicht wirklich verstehen, aber denken, er enthielte viele „intelligente Wörter“, übernehmen sie ihn einfach.
Führen wir also Recherchen zu Tieren durch, die z.B. in „Allein in der Wildnis“ eine Rolle spielen oder den „Woodwalkers“, um eine Wandzeitung zu gestalten oder eine Tierbeschreibung zu verfassen, so stelle ich Podcasts zu diesen Tieren zur Verfügung. Führen wir Recherchen zur K.I. und den moralischen Verflechtungen durch für die Lektüre „Boy in a White Room“, so gibt es z.B. eine tolle Folge bei Geolino zur Frage „Brauchen wir Regeln für KI?“.
Fazit
Neben dem atmosphärischen Vorlesen (und auch dem Üben des Vorlesens – ich bin eine große Verfechterin davon) gibt es also zahlreiche Einsatzmöglichkeiten von Hörimpulsen im Literaturunterricht und natürlich auch darüber hinaus.
Ich sehe diese Übungen einerseits als Erleichterung für einen Teil der SuS, aber auch als Möglichkeit, den Unterricht aufzulockern und den Lernern eine für sie spielerische Alternative zu bieten.
Wie siehst du das?
Weitere Einsatzmöglichkeiten z.B. zur Organisation eines Gruppenpuzzles mit Hörimpulsen findest du im ersten Teil von „Vom Hören zum Lesen“ (zum Artikel).
Und wenn du gerade denkst: Puh! Eine Menge Arbeit!
👉 Vielleicht findest du dann in diesem Sparpaket einige Hörverstehen, die du gleich einsetzen kannst. Im Sparpaket zum Geolino Podcast findest du Arbeitsblätter/Tests zu insgesamt 12 Folgen des Podcasts.
1 Kommentar zu „Vom Hören zum Lesen: Hörverstehen im Literaturunterricht“
Die Idee, eine Podcastfolge als Differenzierung in Gruppenarbeiten zur Verfügung zu stellen, finde ich wirklich sehr spannend. Danke für den Impuls!