Unterrichtsstunden zur „Charakterisierung“ gehören zu den ‚Standardstunden‘ bei der Erarbeitung einer Klassenlektüre in der Sekundarstufe – Stunden, die wir als Lehrkräfte immer wieder neu auflegen. Gerade durch dieses Eingespieltsein auf den Stundeninhalt kann die Kreativität für den Stundenaufbau auf der Strecke bleiben – ich nehme mich da nicht aus. Bei einem vollen Deputat bin ich dankbar für jede Stunde, die ich ‚aus dem Effeff‘ abspulen kann.
Dabei verliert man aber manchmal aus den Augen, dass man mit kleinen Änderungen große Wirkung erzielen kann, gerade auch durch die Wahl des Stundeneinstieges.
Wichtigkeit des Einstieges
Der Einstieg in eine Unterrichtsstunde setzt den Tenor der kommenden 45-50 Minuten. Je nachdem, wie ich meinen Einstieg strukturiere, kann ich die Konzentration der SuS erstmal sammeln, sie aktivieren, sie auf ein Thema einstimmen oder fruchtbare Verwirrung bezüglich eines Themas stiften, das zur Recherche animiert.
Darüber hinaus ebne ich gleichermaßen den Weg hin zu den anvisierten Kompetenze, sodass gerade der Einstieg eine solide Basis für das Erreichen der Lernziele legt.
Gerade die Charakterisierung lässt beim Unterrichten eines Romans oder eines Dramas viel Spielraum hinsichtlich Lern- und Kompetenzzielen. Die Charakterisierung einer Figur lässt Spielraum für die Wortschatzerweiterung, die Empathieförderung hinsichtlich der Handlungs- und Entscheidungsmotive, die Diskussion von Fremd- und Eigenwahrnehmung, die Erweiterung der Schreibkompetenz mithilfe von Textschemata uvm.
Im Folgenden habe ich Dir also meine drei liebsten Einstiege in solche Stunden zusammengestellt inkl. der Überlegungen zu den Lernzielen und den geförderten Kompetenzen, die dahinterstecken.
Das Figurenchart
1.a. Klassenstufen und Ziele
Das Figurenchart nutze ich gerne in der Unterstufe. Das prioritäre Ziel der Stunde ist die Erweiterung sowie die Festigung des Wortschatzes bezüglich der Beschreibung von Charaktereigenschaften. Gerade die prägnante Zusammenfassung von Eigenschaften in passenden Adjektiven fällt meinen Lernern oft schwer.
Sekundäre Ziele der Stunde sind die Förderung der Kooperations- sowie der Diskussionsfähigkeit der SuS, da ich das Chart oftmals in einem Think-Pair-Share Verfahren einsetze.
1.b. Einsatz und Ablauf
Grundlegend sind zwei unterschiedliche Einstiege damit denkbar – je nachdem ob ich den Wortschatz oder die Bewertung und Diskussion in den Vordergrund stellen möchte.
Setze ich die Wortschatzerweiterung in den Vordergrund, so teile ich das Chart nur teilweise ausgefüllt aus. Als Einstieg suchen wir 2-3 Gegensätze gemeinsam an der Tafel, bevor die SuS dann vor der eigentlichen Erarbeitung der Figur die weiteren Gegensätze selbstständig suchen (Differenzierungsmöglichkeit für den GK wäre hier, einen Wortspeicher zur Verfügung zu stellen).
Damit werden alle in einem ersten Schritt aktiviert. Die ruhige Einzelarbeit sammelt die Konzentration und setzt den Tenor für die anschließende Partnerarbeit. Denn gemeinsam mit ihrem Banknachbarn kontrollieren die SuS anschließend ihre Auswahl und bewerten die Eigenschaften der Figur. Derart assimilieren sie das Vokabular ganz nebenbei, und nutzen es ebenfalls in der anschließenden Plenumsdiskussion nochmals, sodass von einer ersten Festigung ausgegangen werden kann.
Vertiefend kann den SuS am Ende der Stunde ein zweites Chart für eine weitere Figur mitgegeben werden, eventuell ebenfalls mit neuen Eigenschaften, die so aufgearbeitet werden können.
Wer ist es?
2.a. Klassenstufen und Ziele
Wer ist es? Ist für mich ein guter Einstieg in der Mittelstufe (9./10. Klasse), aber auch bei den höheren Klassen noch denkbar. Bei diesem Unterrichtseinstieg geht es mir vordringlich um die Förderung der Diskussionsfähigkeit, aber auch der Selbstreflexion und das Aufdecken von Rollen-, Geschlechts- und Kulturmustern.
Gerade wenn ganz unterschiedliche Personenporträts gewählt werden, sind die Diskussionen über die Hintergründe der Auswahl sehr fruchtbar und regen das Nachdenken an. Gleichzeitig zeigen sie, dass das Lesen ein sehr individueller Prozess ist, bei dem unsere Denkmuster, unsere Prägung und unser Selbstbild eine wichtige Rollen spielen.
So hatte ich bereits ganz interessante Gespräche, warum Brian aus „Allein in der Wildnis“ von keinen meiner SuS als ein Junge mit dunkler Hautfarbe wahrgenommen wird, obwohl es gar keine Texthinweise dazu gibt. Oder warum einige weibliche Figuren für sie nie und nimmer kurzhaarig sein können – denn einige Muster sind sehr unbewusst verankert.
2.b. Ablauf
Ich projiziere 3-4 unterschiedliche Porträts an die Tafel. Ich lasse den SuS 2-3 Minuten Zeit, sich die Fotos anzuschauen und in einigen Stichworten für sich festzuhalten, welches Foto wohl die Figur des Buches zeigt. Dabei wähle ich die Porträts möglichst breit gefächert – vor allem bei Dramen ohne viel Beschreibung hat man hier viel Freiheit bei der Auswahl.
Daran schließen wir die Diskussion an, um in die Charakterisierungsstunde einzusteigen. In der Erarbeitung sammeln die SuS dann alle nötigen Infos für die komplette Charakterisierung. Zur Abrundung und Vertiefung picke ich dann eine Kernszene oder eine Kernentscheidung der Figur heraus, um nochmals eine Diskussion aufzumachen, ob die Handlungen nachvollziehbar sind mithilfe der nun gesammelten Infos oder nicht.
Flingaboards erstellen
3.a. Klassenstufen und Ziele
Erstelle ich mit meiner Lerngruppe Flingaboards (zur Nutzung von Flinga hier entlang *click*), so verfolge ich vorrangig das Ziel, effektiv und zielorientiert alle Infos zu sammeln, um anschließend zum Schreiben der Charakterisierung vorzudringen.
Der Einstieg soll also schnell, leicht verständlich und aktivierend sein, sodass jeder aktiviert wird und im Anschluss eine hilfreiche Grundlage besitzt, um die Theorie der Charakterisierung zu wiederholen und den Text noch innerhalb der Stunde weitestgehend fertigzustellen.
Lernziele wären also hier die Förderung der Schreibkompetenz und die Festigung der Kenntnisse zum Abfassen eines solchen Textes. Diesen Einstieg nutze ich in Klassen, die bereits Grundkenntnisse dieser Textart besitzen.
3.b. Ablauf
Hierbei eröffne ich für die Klasse ein Flingaboard – die Vorteile liegen hier darin, dass die SuS keine Anmeldedaten brauchen, sondern einfach mit einem Zugangscode das Board bearbeiten können. Hierauf sammeln wir zunächst ungefiltert alles, was ihnen zu der Figur einfällt. Auch hier kann sich jeder beteiligen, selbst die schüchternen SuS, sodass eine möglichst hohe Aktivität erzielt wird.
Ich nutze hierbei die digitale Version einer Ideensammlung, da die unterschiedlichen Kacheln nachher problemlos hin- und hergeschoben, farblich verändert und gelöscht werden können, ohne großen Aufwand.
In einem zweiten Schritt sortieren die SuS dann diese Infos hinsichtlich der Chronologie der Charakterisierung – sodass Theorie und praktisches Arbeiten in dieser Phase Hand in Hand gehen.
Mit diesen sortierten Infos starten die SuS dann in die Schreibphase. Die Hilfestellung des Boards bildet dabei die Differenzierungsgrundlage : Während die starken Lerner wohl weniger darauf zurückgreifen, können sich die schwächeren SuS an der Struktur und der Ideensammlung entlang hangeln, um ihren Text abzufassen und nichts zu vergessen.
Fazit
Kreative Einstiege in den Unterricht zur Charakterisierung können den Unterricht nicht nur abwechslungsreicher gestalten, sondern auch die Lernziele effektiver erreichen. Ob durch visuelle Reize, diskursive Methoden oder digitale Tools – der richtige Einstieg kann die Schüler motivieren und den Lernprozess nachhaltig verbessern.
1 Kommentar zu „Kreative Einstiege für die Charakterisierung“
Vielen lieben Dank für deine Ideen – ich werde sicher etwas davon umsetzen.