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Rezension: Das Herz von Kamp-Cornell – Lektüre für die Mittelstufe

„Niemand außer Viktor Melitzky hatte gestern geglaubt, was er […] gesehen hatte, und möglicherweise war das immer so: Wahrscheinlich begannen alle großen Tragödien erst ein paar Stunden nachdem sie begonnen hatten.“ (S.273)

Rezensionsexemplar: Über eine tiefgreifende Familientragödie erzählt Susan Kreller in ihrem neuen Jugendroman „Das Herz von Kamp Cornell“ – diese Tragödie beginnt aber nicht erst einige Stunden nach ihrer Entdeckung, sondern ist tief verwurzelt in der Vergangenheit der Familie Melitzky, noch tiefer jedoch in den dörflichen Strukturen von Kamp Cornell.

Der Weg zur Aufdeckung jedoch ist sprachlich wundervoll mit einer düsteren, etwas schauerhaften Atmosphäre, einem geheimnisvollen Herrenhaus und schrulligen, eckigen Figuren, die zum Nachdenken anregen. Der Jugendroman ist eine tolle Lektüre für leistungsstarke Leser einer Mittelstufe und kann als Einstieg in die anspruchsvolleren Analysen der Oberstufe genutzt werden.

 

📘📘 Zusammenfassung des Jugendromans📘📘

 

Ein mysteriöser Brief mit den Worten „Zu spät“ zwingt vier Schwestern zurück in ihr Elternhaus, in dem ihr Vater scheinbar im Sterben liegt. Doch mit ihnen kommen auch ihre Kinder – darunter der stille Edin, der sonderbare Johnny, die rebellische Lu wie auch die beiden Drillingsschwestern Penelope und Gabriella. Während sich die Erwachsenen mit alten Konflikten und verdrängten Erinnerungen konfrontiert sehen, beginnen die Jugendlichen, das Haus und seine dunkle Vergangenheit zu erkunden.

Dabei kommen immer mehr Fragen auf: Warum haben die Schwestern das Haus damals verlassen? Was sind das für Geräusche in der Nacht? Und welche Bedeutung haben die merkwürdigen Zeichen an den Wänden? Was machen all die Nachbarn mit einem Haustürschlüssel zum Herrenhaus? Und warum schließt sich plötzlich eine Hühnergans der Truppe an?

Susan Kreller erzählt die Geschichte mit einer atmosphärischen Dichte, die sich zwischen subtiler Bedrohung und poetischer Schönheit bewegt. Die Auflösung kommt abrupt, lässt Fragen offen –genau das macht den Roman so spannend. Ich jedenfalls war am Ende so Whaaat? und bin so gespannt, über die Weitererzählungen meiner Schüler*innen, sollte ich den Jugendroman einmal mit ihnen behandeln.

 

📘📘 Rezension 📘📘

 

Das Familiendrama „Das Herz von Kamp-Cornell“  ist erstmal keine leichte Kost: ungewöhnliche Vergleiche, Personifikationen und verschachtelte Bilder machen die Lektüre anspruchsvoll, aber auch reizvoll. Auch verzweigt sich der Erzählstrang immer wieder, sodass der Roman aufmerksame Leser*innen verlangt, die die Geschichte durchdringen und sich mit den Figuren sowie der Sprache auseinandersetzen. Meiner Meinung nach bietet sich der Jugendroman daher eher für leistungsstarke Leser bzw. gymnasiale Klassen an.

Die Sprachkunst macht „Das Herz von Kamp-Cornell“  aber zur perfekten Herausforderung für fortgeschrittene Leser*innen und für den Einstieg in die literarische Analyse.

Mein Highlight der Lektüre sind die eckigen, sehr eigenen Figuren des Romans. Jede Figur spricht, bewegt sich und denkt auf ganz eigene Weise. Besonders faszinierend sind:

  • Edin – ein stiller Beobachter, der die Welt anders wahrnimmt.
  • Johnny – schrullig, einzigartig, ein Charakter, der seine Eigenheiten mit Würde trägt.
  • Die vier Schwestern – verbunden durch ihre Vergangenheit, aber doch voneinander entfremdet. Ihr Verhältnis zu ihrem Vater bleibt rätselhaft – eine Mischung aus Angst, Abscheu und doch Zuneigung.

Diese charakterliche Vielschichtigkeit lädt dazu ein, tiefergehende Analysen und Interpretationen im Unterricht zu erarbeiten. Es stellt sich die Frage, wie die Figuren zu dem geworden sind, was sie heute sind. Wie konnte Johnny so ängstlich und neurotisch werden? Warum ist gerade Lu zu einer Rebellin geworden?

Darüber hinaus berührt der Jugendroman eine Vielzahl an diskussionswürdigen Themen, sei es die Thematik der Sekten und die Frage, wie Menschen in solche Gruppen hineingeraten, sei es die Frage nach einer dörflichen Dynamik, die dazu führt, dass Geheimnisse viel eher gewahrt werden und eine solche Tragödie überhaupt erst ermöglichen. Die Familienstruktur an sich ist ebenfalls interessant angelegt – den Schwestern fällt es offenbar noch immer schwer, Beziehungen aufrecht zu erhalten. Die Beziehung zum Vater bleibt schleierhaft. Während die Schwestern zwischen Abscheu und Zuneigung oszillieren, muss der Leser sich Stück für Stück erschließen, was dieses Verhältnis so schwierig macht, durch minimale Texthinweise, durch Figurenverhalten, durch Dialoge.

Diese Themen machen „Das Herz von Kamp-Cornell“ (Jugendroman) also zu einer perfekten Grundlage für spannende Unterrichtsgespräche.

 

👨‍🏫 Unterrichtsvorschläge

 

Aufgrund der sprachlichen Dichte bietet sich das Buch vor allem als Leseprojekt für fortgeschrittene Schüler*innen (Klasse 9/10) an. Als Klassenlektüre sollte die sprachliche Dichte bereits am Anfang thematisiert werden, um leistungsschwächere Leser abzuholen, sodass sie nicht bereits am Anfang durch Verständnisschwierigkeiten demotiviert werden.

Hier einige mögliche Themen und Aufgaben für den Unterricht:

Der Roman berührt eine Vielzahl an tiefgründigen Themen:

  • Familiengeheimnisse & Traumata – Was passiert, wenn die Vergangenheit unausgesprochen bleibt?
  • Fehlende Kommunikation innerhalb der Familie – Was hätte anders laufen können?
  • Das Sektenthema – Deutungen, Andeutungen, aber keine eindeutige Erklärung.
  • Sprachliche und narrative Vielschichtigkeit – Wie trägt die Erzählweise zur Wirkung des Romans bei?
  • Charakterisierungen – Wie spricht, denkt und handelt jede Figur?
  • Kreatives Schreiben – Ein alternatives Ende oder eine Fortsetzung schreiben.
  • Interpretation der Symbolik – Welche Rolle spielen die Geräusche, Zeichen und die rätselhafte Vergangenheit?

 

*** Fazit ***

 

„Das Herz von Kamp-Cornell“ ist ein Roman, der fordert – aber genau das macht ihn so einzigartig. Durch seine tiefgründige Sprache, die vielschichtigen Charaktere und die düstere Atmosphäre ist er eine ideale Wahl für Schüler*innen, die über den Tellerrand hinauslesen möchten. Für den Unterricht bietet er unzählige Anknüpfungspunkte für literarische Analysen, kreative Projekte und tiefgehende Diskussionen.

Ein literarisches Kunstwerk, das man nicht nur liest, sondern erlebt. 5 von 5 Sternen von meiner Seite – seit Langem eine Lektüre, die mich gleich am Anfang gepackt hat und die ich an einem Wochenende dann verschlingen musste

 

 

 

 

1 Kommentar zu „Rezension: Das Herz von Kamp-Cornell – Lektüre für die Mittelstufe“

  1. Wo findest du nur immer diese spannenden Lektüren – jetzt muss ich mit dem Buch aus deiner Story wieder eine Bestellung machen 🙈 Danke für die Tipps 🙂

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Hey ich bin Vanessa,

Deutschlehrerin, Literaturbloggerin, Yogatante und eigentlich auch ein eigener Klassenclown. Ich bin überzeugt, dass die passende Literatur deine Schüler*innen zum Staunen bringt, dass mediale Projekte auch den letzten Lesefaulen aus der Ecke locken und ‚Klassiker‘ aus der Sekundarstufe verbannt gehören.

Seit mehr als 13 Jahren arbeite ich als Deutschlehrerin an unterschiedlichen Schulen, halte Workshops zur Literaturvermittlung und gebe dir nun aus meinen Erfahrungen heraus Tools und Material an die Hand, um bei deinen Lernenden wieder mehr Freude an der Literatur zu wecken.

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